Pharmakophagie
"Ein Insekt ist pharmakophag, wenn es gezielt bestimmte sekundäre Metabolite aufsucht und aufnimmt, sie aber nicht für den Primärstoffwechsel benötigt, sondern zur Erhöhung seiner Fitness."
Boppré M (1984) Redefining "pharmacophagy". J Chem Ecol 10: 1151-1154. lesen
Insekten aus verschiedenen Ordnungen, Familien und Gattungen nehmen gezielt und oft unabhängig vom Nahrungserwerb (d.h. "pharmakophag") Pyrrolizidin-Alkaloide (PA) von Pflanzen auf und verwerten sie als Pheromonvorstufen und/oder Schutzstoffe. Hieraus ergeben sich morphologische, physiologische und ethologische Fragen ebenso wie ökologische, chemische und stammesgeschichtliche. Wir arbeiten vergleichend an verschiedenen Insekten mit dem Ziel, Insekten-PA-Beziehungen detailliert zu beschreiben und mittelbare wie unmittelbare Funktionen dieser sekundären Pflanzenstoffe für Insekten aufzuklären.
Für die verschiedenen PA-Insekten werden die Funktionen der PA sowie die beteiligten Anpassungen charakterisiert; das Verständnis von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Phänomenologie erlaubt schließlich Einblicke in phylogenetische Entwicklungen. Außer auf grundsätzliche Fragen dieser speziellen Insekten-Pflanzen-Beziehungen wird besonderer Wert auf die detaillierte Bearbeitung charakteristischer PA-Insekten gelegt, die z.T. auch indirekt mit PA zusammenhängende Fragen betrifft, wie z.B. das Balzverhalten. Insgesamt erbringen die Untersuchungen Kenntnisse zu Mechanismen chemischer Kommunikation und chemischem Schutz bei Insekten und deren Verschränkungen im Lichte der Nutzung sekundärer Pflanzenstoffe. Beziehungen zwischen Insekten und PA-Pflanzen dienen somit als Modelle zum Studium von Insekten-Pflanzen-Beziehungen allgemein; wegen der Pharmakophagie geben sie auch Einblicke in grundlegende Fragen der Sinnesphysiologie, der Partnerwahl und der Mimikry.
Pharmakophagie beschränkt sich nicht auf PA, sondern besteht gegenüber vielen pflanzlichen und tierischen Sekundärstoffen und existiert auch bei Wirbeltieren